Freitag, 11. März 2011

WORT-SCHATZ (4): Scham



schame, triuwe, erbermde, zuht, die sult ir gerne tragen.  
Walther v. d. Vogelweide

„Schämt die sich nicht?“, kreischt die Siebzehnjährige empört. Auf der Leinwand zu sehen ist eine schöne Frau, die im Türrahmen lehnt, nackt. Ein schlanker, nicht zu dünner Körper, feste, runde Brüste, wohlgeformte Hüften, der Schamhügel in klassischer Dreiecksform zartlockig beflaumt.  Schambehaarung ist heutzutage schamhaft zu vermeiden. Nackte Schöne in Filmen aus den siebziger und achtziger Jahren erscheinen jungen Frauen als Schlampen. Schamlifting ist hingegen der neue Trend. Wo vordem die Entblößung schamhaft zu vermeiden war, schämt sich eine heute für das Entblößte in seiner natürlichen Form. Es ist ein zweischneidig Schwert mit der Scham: Geschamig verbirgt die eine züchtig mit niedergeschlagenem Blick den Trieb. Verschämt dagegen bedeckt die andere das Versäumnis der Scham entblößenden Intimrasur. Doch vermag wohl gerade erst die schüchternde Scham die Gelüste ins Maßlose zu  steigern. Denn wenn die Scham sich selbst überwindet und befreit, beginnt der Rausch.

„Schäm dich bloß nicht.“, sagt der Übervater. Jeder hat schon mal betrogen und gelogen. Wo kämen wir denn hin, wenn wir uns deshalb schämten. Man soll sich keine Blöße geben.  Schimpf und Schande über den, der sich noch schämt. „Mit heiterem Angesicht, und ohne rothe Scham“ stehen die Herrschaft lässig vor unseren Augen da. Wer sich schämt, den reut,  dass er sich selbst verachten muss. Doch es gilt eben nicht: Wer ohne Schuld ist, braucht sich nicht zu schämen, sondern: Wer ohne Schuldbewusstsein ist, bleibt schamlos. Der Schamfreie stößt freilich nicht selten auf schamlose Bewunderung. 

Schlussfolgerung
Wähle gut, wofür du dich schämst. Doch lass dich niemals eine Scham-Lose schimpfen.

Meinen Söhnen gewidmet

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