Samstag, 15. Dezember 2012

VORKASSA (aus der Serie: Fabelwesen) Entwurf


Da lag er, wie aufgebahrt, zur Schau gestellt, ihren Blicken preisgegeben. Er genoss das. Er zeigte sich gern, seinen Körper, auf den er so viel Mühe verwendet hatte. Wenn er nur hätte aufstehen können, sich ein wenig in Pose werfen, danach verlangte ihn. Aber darum ging es hier nicht. Er wusste nicht, was sie sahen. Seine Augen waren an die Decke gerichtet, eine grelle Neonlampe warf ihr Licht in jede Körperfurche. Regte sich etwas bei ihm? Erregte ihn die Situation? Er war selbstbewusst in diese Prüfung gegangen. Was immer sie zu sehen glaubten, es würde nicht er sein, dachte er, nur das, was er gegen Geld zu zeigen bereit war: seinen Körper. Sie hatten ein sehr gutes Angebot gemacht und er brauchte das Geld. Man hatte zunächst über Mail mit ihm kommuniziert. Seine Auftraggeberinnen blieben im Dunkeln, buchstäblich. Auch jetzt beleuchtete der grelle Scheinwerfer an der Decke nur seinen ausgestreckten Körper. Man hatte ihn angewiesen, die Arme seitlich von der Bahre baumeln zu lassen. „Halten Sie stets eine gewissen Körperspannung, bitte.“, war die letzte Anweisung über Mobile gewesen, die er erhalten hatte. „Sie sollen sich nicht ausruhen, wenn wir sie betrachten. Sie sollen sich darbieten. Verstehen Sie?“ Er hatte zurück gefragt, ob er sich räkeln solle, aufreizend bewegen, er könne, hatte er anbieten wollen, auch tanzen, falls das gewünscht werde, auch Anfassen sei, gegen einen gewissen Aufpreis nicht ausgeschlossen. Doch man hatte ihn sofort unterbrochen. Er solle den Anweisungen Folge leisten, eigene Vorschläge seien unerwünscht, man wolle schlicht, dass er sich nackt so hinlege, wie ihm gesagt werde: Angespannt und ausgestreckt auf der Bahre, die Arme seitlich herabhängend, das Gesicht allerdings, wenn ihm das möglich sei, entspannt, lächelnd am besten. Er könne, hatte er noch vorzubringen gewagt, nicht vorhersagen, wie sein Geschlecht reagieren werde auf diese ungewohnte Situation. Er hatte das in  schelmischen Ton gesagt, weil er da noch glaubte zu verstehen, worum es hier ging. Das sei ihnen einerlei, war ihm bedeutet worden, hier gehe es überhaupt nicht um ihn und seine Lust oder Unlust. Na gut, hatte er gedacht, um so besser. Es rührte sich nichts bei ihm, was ihn im Grunde nicht sehr verwunderte. Er hörte das Atmen der Frauen, die dicht um ihn herumstanden. Manche keuchten ein wenig schneller, eine schnäuzte sich, einige prusteten, hinten wurde gekichert. „Ganz anderes Exemplar, als der letzte“, sagte eine. „Ja, wer hätte das gedacht.“ „Wie hell seine Haut ist.“ „Seinen Nabel finde ich zu groß und zu tief.“ „Ein wenig eklig.“ „Und die Nägel wirken abgekaut.“ „Guck mal, die Eier.“ Er fühlte, dass er errötete. Warum nur? „Er ist nicht beschnitten.“ „Mir gefällt das so besser.“ „Meistens ja, stimme ich dir zu.“ „Die Brusthaare sind vollkommen entfernt.“ „Mein Fall ist das nicht.“ „Auch unter den Achseln.“ „Genug?“ Eine gähnte. „So spannend ist das auch nicht mehr, nach dem wir uns jetzt schon über 50 Stück angeschaut haben.“ „Ja, ich finde auch, wir sollten uns was Neues ausdenken.“ „Wollt ihr etwa mit ihnen reden?“ Es wurde durcheinander geschnattert. Ihm war kalt. „Wer will schon wissen, was die denken?“ Die Deckenlampe wurde ausgeschaltet. „Sie können aufstehen. Sie haben bereits Vorkassa erhalten, wie vereinbart. Kleiden Sie sich im Nebenraum an und verlassen Sie die Anlage auf demselben Weg, auf dem Sie gekommen sind. Vielen Dank.“ Die Stimme aus dem Lautsprecher klang künstlich. Er tat, was ihm befohlen worden war. So schlimm, dachte er, war das nicht gewesen, leicht verdientes Geld. Doch er duschte lange und gründlich an diesem Abend. Sie meldeten sich nie wieder bei ihm.

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