Freitag, 15. Februar 2013

"The heartbreaking silliness of everyday life..." (OH, SCHÖNE RESIGNATION)

"When one is young, one doesn't feel a part of it yet; the human condition; one does things because they are not for good; everything is a rehearsal. To be repeated ad lib, to be put right when the curtain goes up in earnest. One day you know that the curtain was up all the time. That was the performance."


Sybille Bedford


Gerade jetzt, wenn der Himmel so verhangen ist und die Sonne sich nicht durch das schmutzige Weiß durchzukämpfen vermag, gerade dann, kommen die Gedanken über das Altern. Jeden Morgen beim Aufnehmen der Zeitung im Flur wirken die Buchstaben kleiner, scheint dir. Es gibt auch Momente, in denen du fliegst: "Heroes" von David Bowie, den Lautstärkeregler des MP3-Players auf die höchste Stufe gestellt, weckst du dich aus dem Auto-Piloten, der dich zum Dienstort bringt. "...und dann erzählt die das in dem Internet", hörst du im Vorübergehen. Kann man im Internet was erzählen? (Was der auf Papyrus erzählt hat. Die Analogie ist schief, irgendwie.) So wie das anfängt hier, klingt es, als sei das Älterwerden traurig, eine Erfahrung des Verlusts, eine Verdüsterung des Horizonts. Gerade jetzt fühlst du aber eine unerwartete Erleichterung. Du brauchst das Strahlen nicht mehr, den grellen Schein, den Durch- und Ausblick. Eine Resignation breitet sich aus wie eine warme, wollige Decke über dir. 

So ist es auch. So wie es ist, kann es nicht bleiben. Alles ist im Fluss. Ein Schock, als dein Sohn dich fragte: Bringst du mich am Sonntag nach Hause?  - und damit den Ort meinte, an dem er jetzt lebt. Aber auch: Wie dieser Sohn dich teilhaben lässt, an jenem Neuen, das er gerade beginnt. Dein anderer Sohn steht im Flur vorm Spiegel und führt dir sein neues Trikot vor. Manchmal erschrickst du darüber, wenn dein Blick ihn umfängt, wie schön du ihn findest und wie gerne du ihn einfach von ferne beobachtest. Es ist etwas so gut gegangen, wie es nicht zugesagt und versprochen war, nicht erwartet und nicht ausgemacht. Du bist alt geworden. Aber wenn du mit deiner Mutter spazieren gehst, die bald 75 Jahre alt wird, weist sie dich auf zwei alte Damen am Mainufer hin und lacht: "Guck, die alten Schachteln." Du hast dir ein Leben gewählt, in dessen Zentrum etwas steht, was angeblich keine Zukunft hat: die traditionelle Familie. Deine Eltern sind bald 55 Jahre ein Paar. Der Mann, den du liebst, kommt jeden Abend zu dir nach Hause. Die kleinen Dinge, die vom Tag bleiben: ein aufmunterndes Wort für einen jungen Mann, der Angst hat; eine Frage nach dem Wohlbefinden einer jungen Frau, deren Nerven angespannt sind, ein herzliches miteinander Lachen. Sich verfügbar machen. Gerade jetzt denkst du viel übers Altern nach. Ob die Welt grauer wird, wenn das Verlangen erlischt, das alles anders sein sollte? Es geht dir gut. Du hast genug zu lieben. Das Alter, wie du es gerade jetzt empfindest, ist eine Zeit, in der du der Kultur des Mangels abschwörst. Es ist genug. Zeit zu verschwenden. 

2 Kommentare:

  1. Oh ja, es gibt keine Generalprobe, alles ist Premeriere und letzte Vorstellung zugleich. Improtheater. Und was Nam June Paik sagt: „There is no rewind button for life.“
    Dein Text ist schön, so ruhig, gelassen und dankbar. Meine Abwehr funktioniert grade nicht besonders gut, da besteht die Chance, dass ich mich anstecke. :-)
    Lieben Gruß,
    Iris

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